Berufsunfähig im Homeoffice?

Manchmal mach ich mir so Gedanken über die Berufsunfähigkeitsversicherung und überlege so, was mir gerecht erscheinen würde. Ob das dann so in der Rechtsprechung ist, weiß ich nicht. Zum Glück ist einer meiner Freunde Björn Jöhnke, der als Anwalt auf die Berufsunfähigkeitsversicherung spezialisiert ist.

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Deswegen erlaube ich mir, mal ins Blaue hineinzuspinnen und Björn klärt dann, wie es tatsächlich behandelt werden würde.

Heute beschäftigt mich die Frage, was im Leistungsfall passieren würde, wenn ich wegen der Corona-Krise im Homeoffice arbeiten muss und was passieren würde, wenn ich deswegen in Teilzeit arbeiten muss.

Betrachte ich alleine die Bedingungen, dann steht da, dass mein Beruf geprüft wird, so wie ich ihn zuletzt in gesunden Tagen ausgeübt habe. Ich muss dem Versicherer also nachweisen, dass ich nur noch zur Hälfte meinen Homeoffice-Job bzw. meine Kurzarbeit ausüben kann.

Ich will mich an der Stelle überhaupt nicht auf die Diskussion um zeitliche Betrachtung oder Arbeitsergebnis einlassen.

Es geht mir nur darum, welche Tätigkeiten geprüft werden. Wenn ich im Homeoffice arbeite und in dieser Zeit in meinem Beruf in der alten Ausprägung BU werden würde, aber in der neuen Ausprägung im Homeoffice nicht, würde ich behaupten, ich habe Pech gehabt.

Homeoffice – Glück im Unglück?

Oder eben Glück gehabt. Ich kann weiterarbeiten. Alles in Ordnung. Dagegen spräche, dass der Versicherer mich als Angestellten ja nicht umorganisieren dürfte. Aber unterm Strich würde ich sagen, wenn ich Homeoffice arbeite, warum auch immer, dann darf der Versicherer auch diesen Beruf prüfen.

Wenn ich Kurzarbeit arbeiten muss, dann würde ich es gefühlt ganz anders sehen. Und das, obwohl die Argumentation sich genauso auch auf das Homeoffice-Beispiel anwenden ließe. Zum einen arbeite ich ja gegen meinen Willen in Kurzarbeit. Das ist wie eine Teilkündigung.

Und wenn ich arbeitslos werden würde, weil mir voll gekündigt wird, würde ja auch mein zuletzt ausgeübter Beruf geprüft werden. Zumindest für 5 Jahre.
In sehr guten Bedingungen gilt das unbegrenzt.

Und zum anderen muss ein Beruf immer auf Dauer ausgelegt sein. Das ist die Definition. Und auf Dauer hab ich mir vorgestellt, dass ich Vollzeit arbeite. Nur dann kann ich mein Haus abbezahlen und meine Familie ernähren.

Auf der anderen Seite versichert die Berufsunfähigkeitsversicherung nicht das Arbeitsmarktrisiko. Sollte die Firma oder die Branche, in der ich arbeite, Probleme haben, dann ist das nicht das Problem des Versicherers.

Also, aus dem Bauch fände ich es beim Homeoffice ok, wenn die zuletzt ausgeübte Tätigkeit geprüft würde, aber bei der Kurzarbeit sollte die Tätigkeit in Vollzeit geprüft werden. Obwohl ich keine echten Argumente dafür habe. Aber die hat vielleicht Björn, der ab hier übernimmt…

Ab hier übernimmt Herr Rechtsanwalt Jöhnke zum Thema Homeoffice

Philips „Gedanken“ sind an dieser Stelle sehr wichtig. Denn auf diese Fragen werden wir uns in der Jurisprudenz demnächst einlassen müssen. Hierbei sind natürlich zwei wichtige Aspekte von Philip vorbenannt: (1) Wir wird die Arbeit um im Homeoffice zu bewerten sein und ebenfalls, (2) wie die Kurzarbeit / Teilzeit damit reinspielt.

Betrachten wir zunächst die Tätigkeit im Homeoffice (1): Der Versicherer kann und soll die zuletzt in gesunden Tagen konkret ausgeübte Tätigkeit des Versicherten überprüfen.

Anhand einer ausführlichen und minutiösen Tätigkeitsbeschreibung vor und nach Eintritt der Gesundheitsbeeinträchtigungen kann der Versicherer überprüfen, ob eine mindestens 50%ige – und damit bedingungsgemäße – Berufsunfähigkeit vorliegt.

Fällt also die Tätigkeit im Homeoffice in diesen zeitlichen Bereich, ist diese vom Versicherer mit zu prüfen. Das ist insoweit auch nicht schlimm. Denn wer eine Tätigkeit im Homeoffice rein faktisch ausüben kann, wird eine nahezu ähnliche Tätigkeit im Unternehmen ausgeübt haben.

Viele Tätigkeiten – gerade im handwerklichen Bereich – können meist nicht von zu Hause ausgeübt werden. Von daher dürfte dieser Prüfungsteil relativ theoretisch bleiben und kaum praktische Auswirkungen haben.

Homeoffice ist das ein, Kurzarbeit das andere

Die andere interessante Frage betrifft jedoch den Aspekt der (2) Kurzarbeit. Wurde der Arbeitnehmer nun betriebsbedingt in die Kurzarbeit entsendet, so stellt sich die Frage, welche rechtliche Bewertung in einer solchen Fallkonstellation vorzunehmen ist. Mangels Vorliegen konkreter Rechtsprechung, müsste man sich mittels anderweitiger Rechtsprechung behelfen.

Zunächst ist zu konstatieren, dass die Kurzarbeit per sé nicht der Wunsch des versicherten Arbeitnehmers gewesen sein wird. Sein Wunsch wird es sicher genauso sein, zeitnah wieder die volle Arbeitstätigkeit ausüben zu können, denn eine reduzierte Tätigkeit geht mit finanziellen Einbußen einher.

Zu denken ist dabei an die spezielle Situation von Hausfrauen und Hausmännern, beispielsweise bei Elternzeit und Mutterschutzzeit.

Bei Elternzeit und Mutterschutz unterbricht der Versicherte nämlich nur seine frühere Tätigkeit für einen gesetzlich definierten Zeitraum; er will aber seinen Ursprungsberuf aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht dauerhaft aufgeben.

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Widmet sich eine berufstätige Versicherte wegen der Geburt ihrer Kinder der Erziehung und der Haushaltsführung („Wechsel zur Hausfrau”), kann darin nur dann ein neuer Beruf gesehen werden, wenn ihre Übernahme auf einer bewussten beruflichen Entscheidung beruht, unter Aufgabe des bisherigen Berufs zum Lebensunterhalt nunmehr durch Hausarbeit beizutragen (BGH, Urt. v. 30. 11. 2011 – IV ZR 143/10; OLG Stuttgart, Urt. v. 10. 6. 2010 – 7 U 179/09). Für die Prüfung der Berufsunfähigkeit kommt es deshalb auf den zuvor ausgeübten Beruf an (OLG Saarbrücken, Urt. v. 28. 4. 2014 – 5 U 355/12).

Kurzarbeit muss auf Dauer ausgelegt sein, um für die BUV relevant zu werden

Kurzarbeiter üben natürlich immer noch einen „Beruf“ aus, mag dies auch in zeitlich geringem Umfang erfolgen. Haben die Arbeitnehmer jedoch den Ursprungsberuf in der damaligen Ausgestaltung nicht dauerhaft aufgegeben und soll grundsätzlich eine Rückkehr in die Vollzeitstelle erfolgen, so kann – in Anwendung der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte auf die vorliegende Fragestellung – eine Übertragung auf die Situation der Kurzarbeiter durchaus stattfinden. Folgt man dieser Rechtsauffassung, so dürfte man die von Philip aufgeworfene Frage damit entsprechend beantworten können.

Von daher darf man erste praktische Fälle mit Spannung erwarten, bevor zu etwaigen Prozessen mit Versicherungen kommt. Und an dieser Stelle gebe ich gern wieder zurück an meinen Freund Philip und freue mich über weitere Rechtsfragen.

Über Philip Wenzel 18 Artikel
Über den Autor: Philip Wenzel ist ein bundesweit anerkannter Experte für die Berufsunfähigkeitsversicherung. Er ist Fachwirt für Versicherungen und Finanzen, Versicherungsmakler und Autor eines Fachbuches über die Berufsunfähigkeitsversicherung. Außerdem schreibt er für diverse Fachmagazine und ist als Speaker bei Versicherungen und Fachtagungen tätig.

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